Experten-Talk im Review:
AI meets Loyalty: Das Ende klassischer Treueprogramme?
Volle (Digital-)Hütte, spannende Expert*innen und eine Frage, die aktuell die Branche umtreibt: In unserer letzten Talk-Runde hatte es wieder mal ordentlich geknistert. Zwischen Agentic AI, Hyperpersonalisierung und Community wurde schnell klar: Klassische Treueprogramme stehen nicht vor dem Aus – aber vor einer ziemlich grundlegenden Renovierung.
Ihr kennt das ja schon von uns: Für alldiejenigen unter Euch, die nicht dabei sein konnten, wartet hier die Aufzeichnung und etwas weiter unten eine kurze Zusammenfassung mit den wichtigsten Aussagen.
Doch bevor es so weit ist, sagen wir erst einmal Danke an die wirklich tollen Gäste, die dabei waren. Diesmal auf unserer VIP-Liste:
Andrea Ludorf
Buchhändlerin aus Leidenschaft und Geschäftsführerin von Dussmann das KulturKaufhaus in Berlin mit einem brandneuen Loyalty-Programm.
Michael Stenzel
Director Marketing & Brand und Digitalstratege bei vit:bikes (E-Bike-Fachhandelsgruppe)
Marilyn Repp
Unternehmerin, Community-Strategin und Retail-/Digital-Expertin
Florian Lillig
Vice President Sales DACH & CEE bei Bloomreach, einem führenden SaaS-Anbieter für E-Commerce/CRM-Personalisierung.
Experten-Talk: AI meets Loyalty
Moderiert wurde der Talk übrigens von unserem Kollegen und Head of Sales Michael Fischer, KNISTR-Geschäftsführer Michael Bregulla hat die verschiedenen Statements in den Dienstleister- und Beraterkontext gesetzt.
Seine wohl wichtigste und übergreifende Frage dabei:
„Wie bekomme ich beim Loyalty Programm Qualität in die Beziehung hinein?“
Denn Rabatte seien zwar wichtig, aber eben nur „Hygienefaktor“.
„Wirkliche Bindung entsteht, wenn Relevanz, Service, Emotion und Identität dazukommen.“
Agentic AI: Vom Co-Piloten zum Piloten (und wir werden Fluglotsen)
Im Impuls „Agentic AI“ hat Florian Lillig (Bloomreach) das KI-Thema dort verortet, wo es für CRM und Loyalty wirklich spannend wird: bei autonom handelnden Systemen, die Entscheidungen treffen, analysieren und orchestrieren.
„Der Trend ist klar: Die AI wird vom Co-Piloten zum Piloten.“
Und die Rolle der Marketer? Wird nicht kleiner – sondern anders:
„Wir werden vom Piloten zum Fluglotsen.“
Was das für Loyalty bedeutet? Agentic AI kann Hyperpersonalisierung und individuelle Journeys endlich möglich und sogar skalierbar machen – aber nur, wenn Ziele, Nutzen für Kund*innen und „Trust, Sicherheit und Kontrolle“ mitgedacht werden.
Community: Der Gegentrend zur Hypertechnologisierung
Marilyn Repp hat die Perspektive mit tollen Cases, etwa von Miss Pompadour oder Lap Coffee, bewusst „menschlich“ aufgedreht. Community sei nicht Deko am Bonusprogramm, sondern ein Gegengewicht zur KI-Überflutung – und ein echtes Sehnsuchtsthema:
„Ich sehe den Community-Trend, der überall aufpoppt, als klaren Gegentrend zur Hypertechnologisierung.“
Und sie hat Loyalty sauber von KPI-Denke getrennt – hin zur wertschätzenden Beziehung ohne eine allzu offensichtliche Sofortumwandlung in Umsatz. Denn:
„Wonach wir uns heute sehnen, ist etwas anderes: Interaktion… gehört und gesehen werden.“
Wenn man eine Überschrift über ihren Part setzen will, dann wäre es wohl: Co-Creation statt Einbahnstraße. Marken müssen Feedbackschleifen nicht nur „machen“, sondern ernst nehmen – und sichtbar zurückspielen. Wenn dann auch noch Loyalty Belohnungsmechanismen mit Community-Interaktion verbunden werden, entstehen genau die Mehrwerte, die Michael Bregulla zuvor gefordert hat.
Praxis-Check: Dussmann und vit:bikes – zwei Branchen, ein gemeinsamer Nenner
Im Panel wurde es dann zunehmend konkret, als Andrea Ludorf und Michael Stenzel aus dem Daily Business berichteten.
So hat Andrea Ludorf sehr schön gezeigt, warum ein reines Earn-and-Burn im Buchhandel schnell an Grenzen stößt. Schließlich lässt die Buchpreisbindung nur geringe Spielräume. Und sie hat den wahren „Kaufgrund“ in ihrem Kontext auf den Punkt gebracht:
„Ein Buch kaufe ich, weil mich der Inhalt interessiert und begeistert. Im Loyalty Programm zählen für uns viel mehr exklusive Leistungen, Einladungen zu Events, Zugang zu Sonderausgaben, exklusive Informationen. Das schätzen die Kundinnen und Kunden viel mehr als 5 Prozent auf alles.“
Stark fanden wir ihren Transparenz-Ansatz
„KI darf helfen – aber Kund:innen müssen wissen, wann sie mit KI interagieren und wann mit Menschen.“
Michael Stenzel (vit:bikes) hat das Thema AI dann nochmal aufgegriffen und für das Publikum vermutlich das „endlich sagt’s mal jemand“-Ventil geöffnet:
„Meines Erachtens wäre es ein großer Fehler, jetzt auf Biegen und Brechen AI-Maßnahmen umzusetzen, nur des Momentums wegen.“ Gleichzeitig hat er klar gemacht, worum es bei seinem Modell wirklich geht: „Unsere Journey ist: vom Kunden zum Fan.“
Der gemeinsame Nenner beider Cases: Bindung entsteht über Vertrauen, Beratung, Erlebnis – KI unterstützt das, ersetzt es aber nicht.
Die „Line of Spookiness“: Personalisierung kann auch kippen
Ein wiederkehrendes Motiv war die Frage: Wann wird Personalisierung hilfreich – und wann creepy?
„Wo liegt denn nun die Line of Spookiness?“, fragt Michael Bregulla und meint dabei die Grenze, hinter der individuelle Angebote als übergriffig wahrgenommen werden.
Marilyn Repp glaubt, dass sich diese Linie aktuell verschiebt und bald ganz verschwinden wird.
Florian Lillig hat es branchen- und use-case-abhängig eingeordnet – und ein Beispiel gebracht, das gleichzeitig witzig und warnend ist:
„Spätestens wenn mich mein Backofen um die Mittagszeit fragt: „190 Grad, 12 Minuten, wie immer, Florian?“, weil er weiß, dass ich jeden Donnerstag eine Tiefkühlpizza esse, wird es kritisch.“
Unser Fazit: Personalisierung mit Augenmaß
Nicht maximale Personalisierung ist das Ziel, sondern passende Personalisierung – plus Transparenz, Eingriffsmöglichkeiten und saubere Datennutzung.
Das Loyalty-Programm der Zukunft wird eine intelligente Mischung aus Community, Agentik und Belohnungsansätzen sein. AI ist dabei ein Verstärker. Die Community wird zum Bindungsanker, besonders im KI-Zeitalter – inklusive Co-Creation, Ambassadors und echter Nähe.