Edeka, Rewe und Co.

„In Deutschlands Kundenbindungs-Branche ist der Teufel los“

Erst wollten alle zu Payback, jetzt legen immer mehr Händler eigene Kundenkarten auf. Messbar die Kundentreue aber erhöht nur ein Faktor.

Stephan Knieps
14.01.2025 – 13:26 Uhr

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Foto: imago images

In Supermärkten bleibt auch 2025 alles wie gehabt: Butter und Olivenöl werden immer teurer, für den Einkaufswagen hat man selten eine Münze parat, und an der Kasse kommt (sofern man nicht selbst scannt) die Frage: Sammeln Sie Punkte?

Doch Moment! Aufmerksamen Supermarkt-Kunden ist nicht entgangen, dass sich bei den beiden größten Supermarktketten des Landes, Edeka und Rewe, zum Jahreswechsel etwas verändert hat: Plötzlich werden bei Edeka die blauen Payback-Punkte vergeben, die es bis dahin bei Rewe gab. Dafür können Kundinnen und Kunden bei Rewe wiederum seit dem Jahreswechsel nur noch in der Rewe-eigenen App auf jeden Einkauf Guthaben sammeln, das sie beim darauffolgenden Einkauf anrechnen lassen können.

Das Prinzip dieser Kundenbindungsprogramme ist altbekannt: Ende der 1980er-Jahre kamen in Deutschland die ersten Kundenkarten auf. Die Idee: Kunden sammeln bei jedem Einkauf Punkte oder Rabatte, die sie beim nächsten Einkauf einlösen können. Die Händler erhalten dafür viele persönliche Informationen über ihre Kunden und deren Einkaufsverhalten und können so – theoretisch – bessere Angebote unterbreiten und ihre Kunden an ihr Geschäft binden.

Payback und Edeka feiern sich als Marktführer

Der nun erfolgte Wechsel lässt sich auf zweifache Weise deuten: Payback und Edeka feiern sich, dass nun endlich die Marktführer in ihrem jeweiligen Segment zueinander gefunden hätten. Die in München ansässige Payback GmbH, seit 2011 Teil von American Express, ist mit rund 423 Millionen Euro Umsatz und rund 700 Partnerunternehmen klarer Marktführer unter den Kundenbindungsprogrammen. Edeka ist mit 47,8 Milliarden Euro (2023) der umsatzstärkste Lebensmittelhändler des Landes. Rewe wiederum feiert sich dafür, die Sache nun endlich selbst in die Hand zu nehmen und damit bessere Daten erheben zu können. Klar ist eigentlich nur, wer hier der Verlierer ist: Deutschlandcard, der deutlich kleinere Payback-Wettbewerber, mit dem Edeka vorher zusammenarbeitete – und der nun um seine Zukunft bangt.

Die in Köln ansässige Rewe-Gruppe (Umsatz in Deutschland: 33,8 Milliarden Euro) nahm seit 2014 am Payback-Programm teil; der zu Rewe gehörende Discounter Penny folgte 2018. Zwischen eineinhalb und zwei Jahren haben die Spezialisten der Tochterfirma Rewe Digital am eigenen Kundenbindungsprogramm getüftelt, teilt Rewe auf Nachfrage mit. Nun soll alles besser werden: „Wir können die Wünsche und Bedürfnisse unserer Kunden so noch besser erfüllen und gezielt Angebote unterbreiten“, heißt es euphorisch aus Köln.

Der „Loyalty Tech“-Markt wächst

Ob erfolgreich oder nicht: Mit dem eigenen Bonus-Programm folgt Rewe einem Trend. 2024 führten das Institut für Handelsforschung und das Software-Unternehmen Knistr eine repräsentative Studie zu Kundenbindungsprogrammen durch. Ein Ergebnis: 70 Prozent der Händler gaben an, dass die Anforderungen von Kundinnen und Kunden so vielfältig seien, dass Händler über ein Kundenbindungsprogramm personalisierte Inhalte anbieten müssten. Wohl auch deshalb gaben zwei Drittel der Händler an, in diesem Jahr ihre Investitionen in Kundenbindungsprogramme zu steigern. Und die Marktforscher von Data Bridge Market Research schätzen, dass der Markt mit sogenannter „Loyalty Tech“, also die Software hinter Kundenbindungsprogrammen, dieses Jahr in Europa um 20 Prozent wachsen wird auf bis zu fünf Milliarden Euro.

„In Deutschlands Kundenbindungsbranche ist der Teufel los“, freut sich Michael Bregulla. Der 55-Jährige beschäftigt sich seit den 1990er-Jahren mit Kundenbindungsprogrammen. Er ist einer von zwei Geschäftsführern bei Knistr. Die Firma,1988 in Hamburg gegründet, stellt Cloudsoftware für Kundenbindungsprogramme zur Verfügung, für große und mittelgroße Händler. Knistr hat rund 70 Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz (u.a. Douglas, Hornbach, Porta, Bonita, Toom). Die rund 100 Knistr-Mitarbeiter erwirtschaften etwa 20 Millionen Euro Umsatz.

„Was gerade Bewegung reinbringt, ist die Scharade rund um Rewe“, erklärt Bregulla. Der Wechsel bei den Marktführern, schon im Januar 2023 kommuniziert, lenke Aufmerksamkeit auf das Thema. Viele mittelständische Händler hätten ihre Treue- und Bonus-Programme überarbeitet, berichtet Bregulla. Und auch große Händler: Ikea etwa stellte im Sommer 2024 seine überarbeitete Ikea-Family-Card mit Punkteprogramm vor, „die nun Interaktionen belohnt, Augmented Reality einsetzt, Workshops und Aktionen anbietet und testweise sogar einen Second-Hand-Handel etabliert.“

82 Prozent der Deutschen nutzen ein Vorteilsprogramm

Vom Sinn dieser Kundenbindungsprogramme sind offenbar auch die meisten Verbraucher überzeugt: 82 Prozent der Befragten in besagter Studie vom Institut für Handelsforschung gaben an, mindestens ein Vorteilsprogramm zu nutzen. Dabei hatte die Stiftung Warentest 2023 in einem Vergleich von 13 Kundenbindungsprogrammen ein recht ernüchterndes Urteil gefällt: „Keine Rabatt-App bringt bei jedem Einkauf so große Preisvorteile, dass Sparfüchse sie auf jeden Fall auf ihrem Smartphone haben sollten“, lautete ein Fazit. Der Mindestrabatt, der laut Stiftung Warentest „mit dem Sammeln und Einlösen von Punkten und Coupons regelmäßig möglich ist, beträgt oft nur 0,5 bis 1 Prozent“.

Doch dessen ungeachtet bemerkt Michael Bregulla mit seiner Firma Knistr „eine Sonderkonjunktur“. Die Frage ist nur, welche Art der Kundenbindung sich durchsetzt: das Multipartner- oder das hauseigene Programm. Fragt man bei Payback, hat das eigene System nur Vorteile: Kunden bräuchten „nicht viele Apps oder Karten, sondern nur ein Programm mit einer App, um überall Punkte sammeln zu können“, sagt eine Sprecherin. Und die Partner stärkten sich gegenseitig im Verbund: „Kosten werden geteilt, der eine bringt dem anderen Neukunden.“

Doch das mit den Kosten ist so eine Sache. Aus Branchenkreisen ist zu hören, dass Rewe jährlich rund 160 Millionen Euro an Payback gezahlt haben soll. Die Rewe-Gruppe wollte die Zahl auf Nachfrage nicht kommentieren. Von Payback heißt es bloß, das Unternehmen verdiene sein Geld durch „strategische Beratung sowie Tech- und Marketingdienstleistungen.“ Branchenexperte Michael Bregulla kommentiert:

Multipartnerprogramm – oder besser alleine?

Beides habe seine Vor- und Nachteile unterstreicht auch Stephan Rüschen, Professor für Handelsmarketing und BWL an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn. „Der Vorteil eines Multipartnerprogramms: Viele Kunden finden es attraktiv, dass man mit einer App bei vielen verschiedenen Händlern sammeln und auch einlösen kann. Aber: Der Händler kann nicht selbst entscheiden, wie das Programm aussieht und hat auch keine direkte Kundenbindung.“

Aufgrund der Programm-internen Konkurrenzsituation kann Payback nicht zwei Supermarktketten im Programm haben, ebenso wenig zwei Baumärkte oder Drogeriemarktketten. So haben in der jüngeren Vergangenheit mehrere Händler den Marktführer verlassen: Die Fisch-Fastfood-Kette Nordsee beendete bereits Mitte 2020 ihre Partnerschaft mit Payback und setzt seitdem wieder auf ihr eigenes Loyalitätsprogramm. Auch Hellweg und Jysk (früher: Dänisches Bettenlager) beendeten ihre Payback-Programme 2022. „Die Hauptmotivation für ein eigenes Programm ist eigentlich immer: Die wollen ihre eigenen Daten haben“, erklärt Michael Bregulla.

International gibt es Vorbilder und Vorreiter: Die französische Supermarktkette Carrefour startete ihr Kundenbindungsprogramm „Pass card“ bereits 1981. Die britische Supermarktkette Tesco führte 1995 die Tesco Clubcard ein. Walmart, die größte Supermarktkette der USA, startete „Walmart+“ 2020 nach dem Vorbild von Amazon-Prime.

Unter den deutschen Supermärkten gelten in dieser Hinsicht die beiden Ketten der Schwarz-Gruppe als Avantgarde – zumindest vom Zeitpunkt her. Der Discounter Lidl hat seine Kundenbindungs-App „Lidl Plus“ in Deutschland flächendeckend im Jahr 2020 eingeführt. Der Großflächen-Discounter Kaufland folgte im Oktober 2021 mit der Kaufland-Card. Die Lidl-App wurde „mehrere Millionen Mal heruntergeladen“, teilt das Unternehmen vage mit. Die Kaufland-Card gibt es in acht Ländern und sei an über 25 Millionen Kunden ausgegeben worden, mehr als 60 Prozent davon seien aktive Nutzer. Die Frage, ob Lidl Plus und Kaufland-Card einen messbaren Einfluss auf die Umsätze von Lidl beziehungsweise Kaufland haben, beantworten die Unternehmen nicht.

Dafür aber, in welche Richtung Kundenbindungsprogramme in Zukunft gehen könnten: In einer Lidl-Filiale in Neckarsulm testet der Discounter zurzeit eine neue „Scan & Go“-Funktion innerhalb der Lidl-Plus-App: Dabei können die Kunden ihre Produkte während des Einkaufs mit dem eigenen Smartphone scannen, diese direkt in ihre Einkaufstasche packen und am Ende an den Selbstbedienungskassen bezahlen, ohne die Artikel noch einmal auspacken zu müssen.

Eine Weiterentwicklung der eigenen App hin zum Coupon-Sammler und persönlichen Hand-Scanner könnte also womöglich einen neuen, messbaren Vorteil bieten: Der Kunde spart sich Zeit an der Kasse und beim Aus- und Einpacken der Waren – und damit wird das geleistet, was die traditionellen Kundenbindungsprogrammen laut Namen versprechen: tatsächlich Kunden zu binden. Denn ob die Apps und Sammelaktionen die Treue zum Stammsupermarkt wirklich signifikant erhöhen, ist in der Branche doch sehr umstritten. Das sei die 1-Million-Euro-Frage, stöhnt ein Branchenkenner, der anonym bleiben möchte.

Der nach wie vor entscheidende Punkt bei der Auswahl des Supermarkts oder Drogerieladens sei nun mal: Nähe. „Natürlich spielt auch der Preis eine Rolle. Aber die allerwenigsten Menschen setzen sich ins Auto und fahren fünf Straßen zum Edeka, nur weil es da jetzt Payback gibt.“

Hier findet Ihr das komplette Interview in der WirtschaftsWoche:

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