Rewe kündigt an, Ende 2024 auf ein eigenes System zu setzen und sich von Payback zu trennen. Die Branche muss das Thema Loyalty wieder attraktiver machen.

Interview mit Michael Bregulla in der  Lebensmittel Praxis, 17.07.2023

Die Rewe ist raus. Ende 2024 endet der Vertrag zwischen dem Lebensmittelhändler und Payback, dem marktführenden Loyaltysystem. „Wir starten eine eigene App“, erklärte Lionel Souque auf der Tagung für Mittelständische Lebensmittelfilialisten (MLF) im Mai in Neuwied. „Das ist einfacher, flexibler und günstiger“, begründete der Rewe-Chef den Schritt. Mit einem eigenen Programm habe die Rewe Group die Hoheit über die gesammelten Daten. Außerdem habe das Unternehmen ausreichend Expertise aufgebaut, um ein eigenes Kundenbindungsprogramm zu führen. Souque sei es wichtig, dass nur ein Absender gegenüber dem Kunden genannt werde, in diesem Fall die Rewe Group. Kunden sollen vorerst ihre Payback-Karte und -Punkte weiterhin wie gewohnt einsetzen und nutzen können. Nach Auslaufen des Vertrags Ende 2024 wird die Rewe Group ein alternatives Kundenbindungsprogramm aufsetzen.

Für Payback dürfte der Verlust des Kölner Konzerns ein harter wirtschaftlicher Rückschlag sein. Denn Penny und Rewe haben insgesamt rund 4,5 Millionen der rund 31 Millionen Payback-Karten in Deutschland ausgegeben, 17 Millionen Loyalty-Kunden kaufen bei beiden ein. Nach der Ankündigung der Rewe, auf ein eigenes System zu setzen, brodelte die Gerüchteküche. Springt die Edeka bei Payback ein? Auf Anfrage der Lebensmittel Praxis dementiert die Genossenschaft eine geplante Kooperation.

Seit dem Wegfall des Rabattgesetzes 2001 probierten sich fast alle Player im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) an Kundenkarten. Bekanntester und erfolgreichster Player ist Payback, gefolgt von der Deutschland-Card. Die „Lidl Plus App“ belegt Platz 3 der beliebtesten Kundenbindungsprogramme.

Dr. Markus Wuebben, Gründer von Cross Engage und Experte für Customer-Value-Management (CVM), befürwortet den Ausstieg der Rewe bei Payback. Multipartner-Programme hätten unterm Strich nur zwei Vorteile: Der Kunde kann besser verstanden werden, weil das Unternehmen mehr Daten zum einzelnen Kunden durch Partnerunternehmen bekommt. Eine Drogerie kann beispielsweise bessere Voraussagen über das Kundenverhalten im eigenen Markt treffen, wenn das Unternehmen auch weiß, wie der Kunde sich im Lebensmitteleinzelhandel verhält.

Zweiter Punkt: Das Unternehmen gewinnt neue Kunden. Je mehr Partnerunternehmen es im Umfeld gibt, umso höher steigt der prozentuale Anteil an Kunden und Nutzern innerhalb des Netzwerks. Ein Beispiel: Durch den Eintritt von Aral bei Payback – vor über 15 Jahren! – haben sowohl der Drogeriemarkt dm 7 Prozent als auch Aral selbst 12 Prozent Neukunden gewonnen.

Wenig zu bieten

Für reichweitenstarke Frequenztreiber, wie Rewe oder Edeka, sieht Wuebben jedoch wenige Vorteile bei einem Multipartner-Programm. „Vollsortimenter haben bereits extrem viele Daten über fast alle Lebensbereiche“, sagt der CVM-Experte. Die gesammelten Daten müssten geteilt werden. Was je nach Partner auch ein Nachteil sein könne. Auch Datennutzungsrechte und Kontaktregeln, also wie oft ein Kunde angeschrieben werden darf, seien große Streitpunkte. „Die Partnerunternehmen geben ihre Daten auf“, so Wuebben. Obendrauf kommen Gebühren für die Teilnahme an Partnerprogrammen hinzu.

Bei der im Mai 2023 veröffentlichten Studie des IFH Köln kommen die Multipartner-Programme deutlich besser weg. Das IFH Köln hat für die Studie mehr als 1.000 Konsumenten online zu ihrer Meinung über Loyalty-Apps befragt und die Daten für das Consumer Barometer der Unternehmensberatung KPMG ausgewertet. An Payback schätzen die Teilnehmer der Studie vor allem die hohe Akzeptanz in vielen Unternehmen, gute Prämien und Angebote sowie die einfache Nutzung. Die Deutschland-Card punktet an erster Stelle mit einfacher Nutzung, aber auch mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten, lokalen Nutzungsmöglichkeiten sowie guten Angeboten und Prämien. Besonders wichtig sind den Kunden anbieterübergreifende Funktionen wie Vergünstigungen und Sonderleistungen für Mitglieder.

Studie zeigt Schwächen auf

Gerade aber die Vergünstigungen fallen im Lebensmitteleinzelhandel recht gering aus. So das Ergebnis einer Studie des Preisvergleichportals Smhaggle. Für die Untersuchung hat das Unternehmen fast 2,4 Millionen Kassenbons im Zeitraum von Januar 2022 bis einschließlich Januar 2023 ausgewertet. Der durchschnittlich gewährte Preisvorteil über Coupons liege deutlich unter 5 Prozent, gemessen am Warenkorbumsatz. Bei Punkten und Cashbacks betrage der Wert circa 1 Prozent. Diese Vorteile würden von Konsumenten zwar mitgenommen – erhöhten jedoch nicht die jeweilige Loyalität, sagt Sven Reuter, Gründer und CEO der Smhaggle-Betreibergesellschaft My-Valueshopping. „Das Grundproblem liegt für mich in der fehlenden Differenzierung der Händler – alle bieten mehr oder minder das Gleiche an und vor allem zum oftmals identischen Preis“, so Reuter.

Dabei versuchen Multipartner-Programme durchaus, attraktiver zu werden. Die Deutschland-Card erweiterte im Frühjahr mit der Inspirationswelt das Portfolio in der Loyalty-App und auf der Homepage um ein umfangreiches Content-Angebot. Neben Artikeln mit Tipps und Tricks gibt es ein umfangreiches Spielesortiment. Durch das Nutzen der App-Inhalte können die Teilnehmer täglich an einer Punkte-Verlosung teilnehmen. Die Teilnehmer können also Punkte sammeln, ohne dafür einkaufen zu müssen. Ziel des Features ist es, dass die App möglichst oft aufgerufen wird. Partnermarken haben die Möglichkeit, Inhalte individuell zu gestalten und aktuelle Kampagnen sowie Angebote und Aktionen zu bewerben – und das zusätzlich zum klassischen Couponing.

Ähnlichen Bestrebungen geht auch Amazon mit Amazon Inspire nach. Der US-Händler will von einer Handelsplattform zur Inspirationsquelle werden – ähnlich wie die sozialen Netzwerke Instagram oder Tiktok. Amazon setzt dabei auf Influencer, die verschiedene Inhalte erstellen wie Fotos oder Bewegtbilder. Kauft ein Kunde dann das im Video verlinkte Produkt, wird der Content-Creator am Verkauf prozentual beteiligt. Unter dem Begriff „Affiliate-Marketing“ ist das in den sozialen Medien bereits gang und gäbe.

Die Bemühungen der Deutschland-Card zeigen, dass der Fokus der Kundenbindungsprogramme verschoben werden soll. „Kundenbindung heißt für uns nicht, primär Animateur fürs Kaufen zu sein“, sagt Julian Wicht, Vice President Marketing und E-Commerce bei der Deutschland-Card.

Gastkommentar von

Michael Bregulla

Michael Bregulla
Geschäftsführer / Managing Director von KNISTR

Eigenes Programm bindet emotional

Ob ein individuelles Kundenbindungsprogramm oder Multipartner-Programm die bessere Wahl ist, wird künftig noch viel mehr von der dahinterstehenden strategischen Zielsetzung abhängig sein als von Fragen der Umsetzbarkeit. Denn technisch und wirtschaftlich umsetzbar sind dank Cloudbasierter SAS-Lösungen mittlerweile auch maßgeschneiderte Lösungen.

Die Unternehmen müssen also im Rahmen ihrer Gesamtstrategie entscheiden, ob sie Kunden durch ein eigenes Programm tiefer kennenlernen und personalisierter ansprechen möchten oder ob zum aktuellen Zeitpunkt der Fokus eher auf dem Zugang zu einer anonymen, aber dafür eben auch breiten Masse liegt.

Gesamtstrategie zuerst

Grundsätzlich kann man sagen: Während der Multipartneran -satz Kundenströme allgemeiner lenkt, Gelegenheitskunden zuführt und diesen spontanen Mehrwert bietet, bieten eigene Programme viel eher emotionale Bindungsansätze, um Kunden zu Stammkunden zu machen. Die Datenhoheit bleibt hier langfristig immer beim Unternehmen. Möglich sind dabei auch parallele Ansätze, wie sie etwa die Drogeriekette dm, aber auch Edeka umsetzen.

Diese nutzen sowohl eigene Kundenbindungs-Apps, aber auch die Möglichkeit, diese mit einem Payback- oder Deutschlandcard-Konto zu verknüpfen.

Bei Kundenbindung gehe es nicht nur um monetäre Anreize.

Was ist also ein echter Mehrwert für den Kunden? Markus Wuebben schlägt beispielsweise eine Kooperation mit dem öffentlichen Personennahverkehr vor. Kundenprogrammmitglieder könnten dann kostenlos mit dem Bus zum Einkaufen fahren. Beim Abholservice, wie ihn beispielsweise die Rewe anbietet, könnte für Teilnehmer die Gebühr für das Packen der Einkäufe entfallen. Aber auch Zugang zu besonderen Produkten an der Bedienungstheke kann sich Wuebben als interessanten Mehrwert für kaufkräftige Kunden vorstellen.

Aktuell werden laut bereits zitierter Smhaggle-Studie vor allem Schnäppchenjäger von Kundenbindungsprogrammen angesprochen. Die Drogerie dm, langjähriger Partner von Payback, zeichnet jedoch ein anderes Bild. „Es ist richtig, dass Kunden durch unsere Möglichkeiten zur Kundenverbindung entsprechend ihren Bedarf signifikant höher bei uns decken“, heißt es auf LP-Anfrage. Aktuelle Zahlen möchte das Unternehmen nicht herausgeben. 2020 gaben dm-Payback-Mitglieder rund 50 Prozent mehr Geld aus als Nicht-Mitglieder. Mario Bertsch, Leiter Marketing & Digital bei dm, macht deutlich: „Payback ist und bleibt ein wichtiger Baustein, um mit unseren Kunden zu kommunizieren, ihnen besonders relevante Angebote zu machen und uns mit ihnen bestmöglich zu verbinden.“ dm baut zusätzlich zur Payback-Mitgliedschaft ein eigenes Kundenbindungsprogramm aus. Werden hier also die Weichen für ein eigenständiges System gestellt?

Unternehmenseigene Lösung

Hat bald jede Handelsgröße ihr eigenes Programm? Technisch gesehen ist es heute leicht, ein Kundenbindungssystem auf die Beine zu stellen. Über Technikanbieter wie Knistr lassen sich Lösungen gebrauchsfertig einkaufen. Doch vor der technischen Lösung müssten sich die Unternehmen darüber klar werden, was die eigene Strategie sei, betont Markus Wuebben. „Die lokale Dominanz der Lebensmittelhändler ist durch Onlineshopping und Quick-Commerce weggebrochen“, so der Experte. Es reiche nicht mehr, das günstigste Produkt im Angebot zu haben.

Welche Daten braucht das Unternehmen für die Strategie? Braucht das Unternehmen wirklich ein vollständiges Bild jedes Kunden? Geburtstage oder auch die Postadresse müssen beispielsweise nicht Teil der Strategie sein. Warum es wichtig ist, nicht zu viele Daten zu erfragen, zeigt auch die IFH-Studie: Mehr als die Hälfte der befragten Nichtnutzer könne sich vorstellen, in Zukunft an einem Programm teilzunehmen, wenn die „persönlichen Schmerzpunkte“ behoben würden. Dazu gehören laut Studie in erster Linie Datenschutz-Aspekte.

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