Magazin „Der Handel“ Loyalty-Strecke – teil 2
Wie Loyalty-Programme Retail Media befeuern
Wer als Einzelhändler die Daten seiner Käufer optimal nutzt, wird in Bewerbung und Verkauf erfolgreicher werden. Der Schlüssel zum Erfolg sind ausgeklügelte Kundenbindungsprogramme.
Aus stationären Einzelhändlern, deren wirtschaftlicher Erfolg weitgehend von der Marge zwischen Einkauf und Verkauf abhängt, sind in jüngster Zeit vielfach Omnichannel-Player geworden, die weitaus mehr tun, als schlicht zu verkaufen: Gezielt bewerben sie Waren und Dienstleistungen von Dritten und bereiten sie spezifisch auf für einzelne Segmente von Kunden. Diese Disziplin, genannt Retail Media, wird durch Produkthersteller refinanziert und ist mittlerweile zu einer wichtigen Umsatzquelle für den Handel geworden: Große Händler wie Douglas, OBI, REWE oder die Schwarz Gruppe verfügen heute über eigene Retail Media Networks. Kleinere Einzelhändler bieten diese Dienstleistung inzwischen über Agenturen und Vermarkter an. Der Hersteller kann so den für sich besten Partner wählen, sich beraten lassen und den Vertriebserfolg sicherstellen.
,,Retail Media hat das Selbstbewusstsein der stationären Händler stark verändert“, erläutert Michael Bregulla, Geschäftsführer des Loyalty-Experten Knistr. Denn gerade die vor Ort präsenten Händler fühlen sich den Konsumenten am nächsten, können im Kundenkontakt Eindrücke auf verschiedenen Ebenen direkt aufnehmen und daraus resultierend eine Vielzahl von Vermarktungsoptionen gezielt anbieten. Während früher Ware im Sortiment des Händlers gelistet und eingekauft wurde, schnürt der Händler nun Vermarktungspakete, die den bestmöglichen Absatzerfolg garantieren. Eine Riesenchance, die in der Umsetzung jedoch an verschiedene Bedingungen geknüpft ist, etwa eine solide Datenlage auf Basis von Kundenbindungsprogrammen: Wenn diese innovativ konstruiert sind, liefern sie die Informationen, um über Retail Media unterschiedliche Zielgruppen mit relevanten, im Idealfall sogar personalisierten Inhalten, Produkten und Botschaften anzusprechen.
Chance für den stationären Handel
Denn während im Onlinehandel der Kunde bereits per Geschäftsmodell bekannt ist, kann stationär nicht immer die (Er-) Kenntnis entstehen, welcher Kunde nun wann welche Ware kauft oder gar gekauft hat. Das Loyalty-Programm hilft dabei, stationäre Transaktionen zuzuordnen und eine sinnvolle Personalisierung zu ermöglichen. Die Königsklasse ist erreicht, wenn diese Informationen mit weiterem Kundenwissen über alle Kanäle zusammengeführt werden. Wenn der Händler dann also seine Kunden kanalübergreifend versteht, ist er dazu in der Lage, mit modernen Machine-Learning-Methoden Produktinteresse und Zahlungsbereitschaft selbst auf hochindividueller Ebene einzuschätzen und Kaufmuster zu antizipieren – für eigene Zwecke oder für Partner.
Stimmige Integration von Werbeflächen
Dabei erzielen die dadurch möglichen hyperpersonalisierten Marketingkampagnen laut McKinseyStudie (State of Marketing 2024: Zurück in die Zukunft) im Vergleich zu herkömmlichen personalisierten Ansätzen bis zu 40 Prozent mehr Umsatz und erhöhen die Konversionsraten und die Kundentreue. 71 Prozent der Konsumenten erwarten personalisierte Interaktionen mit Unternehmen, 76 Prozent sind sogar frustriert, wenn sie keine personalisierten Angebote erhalten.
Als Gegenleistung für die Bereitschaft, Daten preiszugeben, sind dabei konsequente und individuelle Vorteile für die Kunden besonders wichtig: ,,Die Kombination von Loyalty-Programmen und Retail Media schafft eine synergetische Beziehung, die sowohl die Kundenbindung als auch den Umsatz steigert“, sagt Andreas Rieskötter, Geschäftsführer von IFH Media Analytics. Dabei sei es entscheidend, dass im Zuge der hohen Wettbewerbsintensität relevante Mehrwerte für den Kunden geschaffen werden, die zu einer dauerhaften Kundenbindung führen und zudem für Retail Media wertvolle Kundendaten generieren.
Multipartner-Programme mit Defiziten
Und doch: Nicht aus jedem Loyalty-Programm kann automatisch eine in Kampagnen nutzbare Kundenkenntnis generiert werden. Besonders Multipartner-Programme verwenden heute häufig die Daten aus dem Kaufverhalten eines Kunden und damit den letzten Teil im Prozess. Die vorgelagerten Stufen des Kaufinteresses bleiben meist unbeachtet. Retail Media begleitet den Kunden jedoch bereits sehr früh auf seiner Customer Journey. „Für die Konzeption eines neuen Loyalty-Programms müssen alle Kaufentscheidungsprozesse über verschiedene Medienkanäle berücksichtigt werden“, mahnt Tobias Kern an, der als CPO erfolgreich die Kaufland Digital-Unit aufbaute.
Damit die entsprechenden Werbeflächen etwa in der Loyalty-App nicht als Fremdkörper wahrgenommen werden, sollten diese unmittelbar in die Vorteilsarchitektur des Programms eingebunden sein, empfiehlt Kern, der inzwischen die Digitalagentur The Shoring Company leitet.
Datenakquise in der Konzeption bedenken
Wichtig für die erfolgreiche Verbindung von Retail Media und Loyalty ist demnach folgender Dreiklang: „Datengewinnung, Datennutzung und Programmgestaltung müssen bereits in der Konzeptionsphase konsequent mitgedacht werden – auch und vor allen Dingen im Upgrade älterer Programme“, betont KNISTR-Fachmann Bregulla. Denn während vor wenigen Jahren der direkte Mehrumsatz im Mittelpunkt gestanden habe, liege der wahre Wert heute eben in den Daten, die dabei generiert werden, und nicht in der Teilnahmequote am Bonusprogramm. ,,Loyalty liefert die Granularität und Genauigkeit, die es braucht, um Werbeinhalte in Echtzeit personalisieren und optimieren zu können, und damit die Erfolgsfaktoren von Retail Media.“
Marge schonen durch individuelle lncentivierungen
Konkreter heißt das, dass erst das eigene und alle Bereiche des Kundenverhaltens berücksichtigende Loyalty-Programm dem Händler die Chance eröffnet, gezielter zu kommunizieren. Dabei kann auch das Angebot selbst zum begeisternden Erlebnis werden. Schließlich freut sich der Kunde darüber, statt Streuwerbung relevante Inhalte zu erhalten, die ganz gezielt auf seine Bedürfnisse eingehen.Der Einzelhandel verkauft auf diesem Weg aber nicht nur attraktiv Kampagnen an und für Markenartikler, er kann auch deren Marge schonen: ,,Bei Retail-Media-Kampagnen darf es ruhig eine Rolle spielen, dass ähnlich wirkende Kunden in der Preisbereitschaft ganz unterschiedliche Facetten zeigen. Je nach Kundenmentalität kann dabei unterschiedlich überzeugt beziehungsweise belohnt werden. Kunden, die ohnehin das Produkt kaufen würden, muss ich gegebenenfalls gar nicht ansprechen“, empfiehlt Bregulla.
Voraussetzung ist aber auch in diesem Fall die konsequente Anpassung der Programme an die Datenlage – und eine regelmäßige Evaluierung der Ergebnisse. Das passiere bisweilen noch zu wenig, beklagt Antonie Glaser, Beraterin von Unternehmen wie Ricola oder s.Oliver: ,,Spätestens in CoronaZeiten haben sich viele Anbieter nachhaltig mit digitalem Marketing und Performance Marketing auseinandergesetzt. Anstatt wie hier echte ROI-Kennzahlen unter Einbezug des tatsächlichen Mehrabsatzes zu etablieren, wird Retail Media oft noch recht unkritisch ausgewertet.“ Dabei müsse gerade der Offline-Handel die entsprechenden Daten zeitnah und detailliert generieren, um mit den Online-Realitäten mithalten zu können. Wem das gelinge, so die Botschaft der Beraterin, der könne sich mit der Bereitstellung und Auswertung von Daten klar differenzieren.